Engagement: Umwelt

Der Damm ist gebrochen – hoffentlich

Ein österreichischer Zulieferer in Staudammprojekten widmet sich der Nachhaltigkeit.

Staudämme sind häufig der Anstoss zu weitreichenden Diskussionen. Landschaften werden künstlich und dauerhaft unter Wasser gesetzt, manchmal werden gar ganze Dörfer geflutet. So verschwanden 1937 55 Landwirtschaftsbetriebe in den Fluten des Sihlsees. Von den über 1700 Menschen wanderten viele in die Vereinigten Staaten aus. Innerthal im Kanton Schwyz musste 1924 dem Wägitalersee weichen und 1954 wurde das bündnerische Marmorera geflutet. So weit ein kurzer, unvollständiger Blick in die Schweizer Geschichtsbücher.

In der jüngeren Zeit wurden in der Schweiz keine Staudämme mehr gebaut. Dafür werden weltweit Wasserkraftprojekte umgesetzt, etwa der Ilisu-Staudamm in der Türkei, der Belo-Monte-Staudamm in Brasilien oder das laotische Xayaburi-Staudammprojekt. Diese neuen künstlichen Seen haben auf die Ökologie, etwa die Fischbestände, und damit auch auf die Menschen, die davon leben, einen grossen Einfluss. Eigentlich logisch, dass da Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen durchgeführt werden müssen.

Vielseitiger Nachholbedarf

Die oben erwähnten drei Staudämme haben noch eine weitere Gemeinsamkeit. Einer der Hauptzulieferer für Turbinen, Generatoren, Regler, Automatisierungssysteme und andere Ausrüstung ist Andritz mit Sitz in Graz, Österreich. Der Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK-ASIR)* wurde via Partnerorganisationen auf die Gruppe aufmerksam. Vor allem dadurch, dass alle Bemühungen, mit ihr in Kontakt zu treten, bislang scheiterten.

Warum Andritz den Dialog verweigerte, ist unklar. «Es machte den Anschein, als ob das Thema Nachhaltigkeit einfach keine Priorität hat», erzählt Tamara Hardegger, Geschäftsführerin beim SVVK. «Da könnten wir als Quasinachbarn doch einen Versuch starten. Vielleicht hilft die geografische Nähe.» Nach einem Schreiben und weiteren E-Mails kam tatsächlich ein erstes Gespräch zustande. Darin bestätigte sich, dass das Thema Nachhaltigkeit zwar an Wichtigkeit gewinnt, aber noch nicht strukturiert angegangen und kommuniziert wurde. Etwa, ob bei jedem neuen Projekt eine systematische Nachhaltigkeitsprüfung durchgeführt werden soll, oder besonders, wie bei einem finanziell attraktiven, aber nicht nachhaltigen Projekt entschieden wird, wurde nicht transparent dargelegt. Gerade diese schwierigen Abwägungen zwischen Ökonomie und Ökologie sind einfacher zu bewältigen, wenn man zuvor klare Leitlinien festgelegt hat und unabhängige Gremien für die Überprüfung und Einhaltung dieser Leitlinien einsetzt. Zusätzlich darüber öffentlich zu berichten, schafft Vertrauen und Verbindlichkeit.

«Andritz bewegt sich doch», war man beim SVVK überzeugt und nutzte die Gunst der Stunde, um dem ersten Gespräch zwei weitere folgen zu lassen. Die Erkenntnisse daraus sind vielversprechend:

Im Folgegespräch gab Andritz bekannt, dass sie an einem globalen Rahmenwerk zur Prüfung von Wasserkraftprojekten mitgearbeitet hat. Dieses von der Industrie und der Zivilgesellschaft entwickelte Protokoll der Hydropower Association wird auch vom Schweizer SECO finanziell unterstützt. Weiter bestätigte Andritz, dass sie schon Projekte aus Gründen der Nachhaltigkeit ausschlug. Überhaupt schien sich die Denkweise, auch unter dem Eindruck der Covid-Krise, verändert zu haben. Vielleicht half die Pandemie mit, die Sensibilisierung für andere systemische Risiken, wie etwa den Klimawandel, zu schärfen. Andritz hat entschieden, dem Thema Nachhaltigkeit mehr Gewicht zu geben und es strategischer anzugehen – auch aus wirtschaftlichen Gründen: Viele Kunden würden dies mittlerweile voraussetzen.

Erfolg dank Engagement

Ob es nun der SVVK-Einsatz aus dem Nachbarland oder der berühmte «stete Tropfen» war, der bei Andritz die Dämme Richtung Nachhaltigkeit brechen liess, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Sicher ist indes, dass man dort, wo man früher auf eine (Stau-)Mauer des Schweigens stiess, nun eine offenere und transparentere Kommunikation und eine überdachte Nachhaltigkeitsstrategie vorfindet.


* Wer ist der SVVK?
Der Schweizer Verein für verantwortungsbewusste Kapitalanlagen (SVVK-ASIR) ist ein Zusammenschluss von institutionellen Anlegern und wurde 2015 gegründet. Der Verein erbringt für seine Mitglieder Dienstleistungen, damit sie ihre Anlageentscheide auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft ausrichten können. Die BVK ist Gründungsmitglied des SVVK. www.svvk-asir.ch

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20.06.2022

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