Gesäuberte Umgebung, «gesäuberter» Umgang

Frau C. (sie möchte ihren Namen nicht veröffentlicht sehen – vielleicht gibt es sie auch gar nicht) telefoniert entrüstet mit der Immobilienbewirtschafterin der BVK.

«Jetzt hat der Meier vom Dritten doch tatsächlich sein altes Bett einfach aus dem Fenster geschmissen und im Innenhof liegen lassen. Aber das ist noch nicht alles. Ich glaube, die Ackermann aus der 23 – sowieso eine komische Frau – schmeisst sogar ihre Flaschen in den Kübelsack. Und die Kinder erst: Lassen den Dreck überall liegen und der Hauswart darf aufräumen. Und dann die Gemeinschaftsräume: Im Veloraum hat es kaum mehr Platz, so viele alte Göppel stehen da rum und dann hat es auch noch Kinderwagen, Kickboards und ein Paar Skier – nimmt mich ja wunder, was die da sollen. In der Garage lagern nicht nur Autopneus, sondern auch alte Werkzeuge, Bauholz und Regale. Auch wenn ich alleinstehend bin und kein Auto habe – ich gehe da immer mal runter. Da bin ich doch kürzlich M. – der wohnt, glaubs, in der 21 – begegnet, der gerade einen Ölwechsel oder so was am Töff machte – eine Sauerei ist das …»

Frau C. hat sich in Rage geredet. Dabei wollte sie eigentlich nur wissen, ob der Gärtner die Bäume noch schneiden wird. «Die sind nämlich viel zu gross und ich habe schon Schatten auf dem Balkon und ich wohne schliesslich nicht Parterre.» Diese Frage konnte von der Bewirtschafterin positiv beantwortet werden. Der Termin für den Baumschnitt sei bereits fix.

Nach dem Telefonat nimmt die Bewirtschafterin aber vorsorglich mit dem Hauswart Kontakt auf, um über die Ordnung in und um die Liegenschaft Genaueres zu erfahren. Der Hauswart meint, es sei nicht ganz so arg, wie von Frau C. berichtet. Trotzdem vereinbaren die Bewirtschafterin und der Hauswart einen Rundgang durch die Siedlung.

Nach dem Rundgang ist klar: Es muss etwas geschehen. Vor allem die gelagerten Gegenstände im Veloraum (die Skier waren tatsächlich dort) und in den Treppenhäusern (meist zwischengelagerter Abfall zum Entsorgen) müssen verschwinden. Jede Mietpartei soll nun etwas Zeit erhalten, ihr Material zu entfernen, zu entsorgen oder – im Fall der Velos im Veloraum – zu beschriften. Was nachher noch übrig bleibt, wird entsorgt. In so einer brieflichen Mitteilung mit Terminangaben kann es ja nicht schaden, wieder einmal auf die gegenseitige Rücksichtnahme zu pochen und die Regeln der Abfallentsorgung inklusive der Möglichkeiten der Entsorgungsstelle zu erwähnen.

Zwei Tage nachdem der Brief die Mieterschaft erreicht hat, klingelt das Telefon bei der BVK. Frau C. ist dran …!

«Sie, also bitte schön! Was soll das jetzt heissen? Ich habe immer alle Regeln befolgt. Aber jetzt kommt der Klaus von gegenüber auf mich zu und sagt, dass ich meine Pflanzentreppe und den Schuhschrank wegräumen müsse. Das geht doch gar nicht. Ich habe doch keinen Platz in der Wohnung und die Pflanzen hübschen das Treppenhaus auf und mein Schuhschränkchen ist nur 35 Zentimeter tief – die Schuhe, die da drinstehen, sind immer sauber geputzt, damit es ‹e Gattig› macht. Es ist doch kein grosser Aufwand, rund um die beiden Dinge zu putzen. Ich weiss im Fall, was sich gehört und wie ich meinen Abfall zu entsorgen habe.»

Die Immobilienbewirtschafterin hat mit dem Telefonat gerechnet. Sie erklärt:

«Leider gibt es einen Aspekt, den Sie im Brief überlesen haben, Frau C. Das Wegräumen der Pflanzentreppe auf dem Treppenabsatz und des Schuhschränkchens vor der Türe hat nichts mit der Hauswartung zu tun. Auch nicht, dass es nicht hübsch aussehen würde – die blühenden Orchideen sind tatsächlich eine Pracht, das muss ich neidlos eingestehen. Ich habe leider einen viel kleineren grünen Daumen. Aber trotzdem müssen die beiden Gegenstände aus dem Treppenhaus entfernt werden, und zwar aus feuerpolizeilichen Gründen. Stellen Sie sich vor, es brennt im Haus und Sie müssen die Wohnung fluchtartig verlassen. Gleichzeitig stürmt die Feuerwehr durchs Treppenhaus hinauf, um an das Feuer zu kommen. Bei so einem Tohuwabohu besteht die Gefahr, dass eines der Möbel umfällt und so zum gefährlichen Hindernis für alle wird. Darum bedanke ich mich jetzt schon, dass Sie die Möbel wegräumen.

Zudem möchte ich mich bedanken, dass Sie der Wohnung und der Umgebung Sorge tragen – tragen Sie doch auch zu sich etwas Sorge und üben Sie gerade bei den Kindern etwas Nachsicht. Der von Ihnen erwähnte Ölwechsel von M. war übrigens nur der Einbau der Batterie nach der Winterpause.»

Ein paar Wochen später berichtet Frau C.:

«Ich wollte mich bei Ihnen bedanken. Schuhschränkchen und Pflanzentreppe sind weg. Für die Orchideen habe ich Abnehmer in der Siedlung gefunden und so sind verschiedene Kontakte, unter anderem zu M., dem Töfffahrer, entstanden. Das ist ein ganz Netter. Und dann wollte ich mich auch noch für die geschnittenen Bäume und Sträucher bedanken, das sieht wieder sehr hübsch aus.»

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16.08.2021

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