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CO2-Reduktion zementieren

Die Zementindustrie zählt zu den CO2-intensivsten Industrien der Welt. Das ist ein Fakt mit schwindelerregenden Zahlen, die im Steigen begriffen sind. Heute geht man davon aus, dass im Jahr 2050 3'800'000'000'000 Kilogramm CO2 durch die Zementindustrie verursacht werden. Einfacher ausgedrückt sind das 3,8 Milliarden Tonnen CO2 – etwa 100-mal so viel wie der gesamte jährliche CO2-Ausstoss der Schweiz oder das Gewicht von ungefähr 38'000 Eiffeltürmen. 

Lösungen sind gefragt, zumal kaum mehr auf den Baustoff verzichtet werden kann. Und Lösungen gibt es – auch wenn diese noch erhebliche Nebengeräusche verursachen. 

Lange Zeit galt Zement als kaum dekarbonisierbar, da die Hauptquelle der CO2-Emissionen der chemische Prozess (Kalzinierung) bei der Herstellung des Klinkers im Zement ist – und dieser galt als unersetzbar. Heute gibt es jedoch Zement, der ganz ohne Klinker auskommt. Dies zeigt, dass das Problem lösbar und eine Frage der richtigen Anreize ist – und nicht der technologischen Grenzen.

Problem 1: Geringe Gewinnmargen vs. hohe Investitionskosten 
Die Zementherstellung bringt den Unternehmen nur geringe Gewinnmargen und erfordert hohe Investitionen in Werke, Logistiknetze und die Einhaltung von Qualitätsnormen. Dies förderte über Jahrzehnte die Konsolidierung zu wenigen, grossen Playern, die mehr oder weniger vor Ort produzieren, den Markt unter sich aufgeteilt haben und so eine beherrschende Marktkontrolle halten. Vor neuen Wettbewerbern muss man sich in der Branche kaum fürchten. 

Problem 2: Wenig Anreize
Der EU-Gesetzgeber übte wenig Druck aus und räumte den CO2-intensiven Industrien eine grosszügige Schonfrist durch die Verteilung kostenloser Emissionszertifikate im dreistelligen Milliardenbereich ein. Das ist mehr, als was er durch den Emissionshandel einnahm. Auch Holcim erhielt beispielsweise im Jahre 2022 Zertifikate im Wert von 1,4 Milliarden Euro von der EU. Dieser Geldsegen förderte insgesamt jedoch eher den Status quo als den Wandel.

Lösungsansatz 1: «Grüner» Zement
Holcim, einer der weltweit grössten Produzenten, sieht in seiner CO2-armen Produktreihe die Zukunft – das war die Botschaft an die Investoren am Kapitalmarkttag 2025. Denn der höherpreisige, aber in der Herstellung günstigere «grüne» Zement ist ein Weg, um sich von den niedrigen Margen im Zementgeschäft zu befreien. Der Ersatz von Klinker durch günstigen Lehm und erneuerbare Energien statt Öl und Gas spart Kosten. Gleichzeitig können für grünen Zement höhere Preise verlangt werden. 

Das klingt nach Win-win-Situation. Doch diese Ansätze reduzieren die Emissionen lediglich, sie eliminieren sie nicht. 

Lösungsansatz 2: CO2 einfangen
Deshalb hoffen die grossen Zementhersteller auf eine andere Lösung: das sogenannte «Carbon Capture, Utilisation & Storage» (CCUS) zu Deutsch «CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung». Was jedoch weniger prominent kommuniziert wird: Der Einsatz von CCUS erhöht die Produktionskosten erheblich. Schätzungen zufolge um bis zu 50 Prozent. Die Idee dabei ist, das beim Kalzinierungsprozess anfallende CO2 abzusaugen, im Meeresgrund zu versenken oder weiterzuverkaufen. Dies ist sowohl technisch als auch politisch komplex. Viele Parteien müssen am selben Strang ziehen, damit es reibungslos funktio-niert, und es kostet viel Geld. 

Ohne grosse Subventionen der EU geht nichts, und selbst dann ist das Gelingen im industriellen Massstab nicht garantiert. Wie teuer wird es wirklich? Und wer garantiert, dass das CO2 tatsächlich im erwarteten Umfang eingefangen wird und im Boden bleibt? So stellte sich kürzlich heraus, dass die älteste CO2-Speicheranlage des norwegischen Energiekonzerns Equinor über Jahre hinweg die abgeschiedene CO2-Menge bis um das Zehnfache zu hoch angegeben hatte. Unter Experten scheint unbestritten, dass die CCUS-Technologie künftig eine Rolle spielen wird. Doch sie darf keinen Vorwand liefern, direktere Wege zur Dekarbonisierung zu vernachlässigen. Bei Holcim sollen 44 Prozent der Emissionen durch CCUS elimi-niert werden. Das liegt deutlich über dem Mass, das der globale Zementverband vorsieht.

Lösungsansatz 3: Richtige Anreize schaffen
Anstelle der erwähnten kostenlosen Emissionszertifikate wäre es weitsichtiger, die Nachfrage und den Marktzugang für nachhaltigen Zement zu fördern. In Europa haben die Niederlande und Irland bereits verbindliche Grenzwerte für CO2-Emissionen im Bau eingeführt. In der Schweiz werden einige Kantone 2026 gleichziehen. Die EU hat damit begonnen, neuartigen Zementen den Marktzugang zu ermöglichen. Dies ist ein wichtiger erster Schritt und bietet Anreize für die Industrie. Neue und fortschrittliche Regeln auf allen Ebenen spielen eine zentrale Rolle bei der Förderung von Innovationen und der erfolgreichen Transformation des Sektors.

Holcim konkret
In direktem Bezug auf Holcim wird gewünscht, dass der in Zug ansässige Baustoffproduzent mehr Fokus auf seine Kernstärke legt: Innovationskraft für bessere, CO2-ärmere und rohstoffschonendere Baumate-rialien. Die kürzlich enthüllte 2030-Strategie sowie die Fülle und Vielseitigkeit neuer Produktlancierungen und Fortschritte im Betonrecycling (plus 20 Prozent) oder die Entwicklung ultradünner, tragender Betonplatten stimmen zuversichtlich. 

Diese Innovationskraft muss sich nun auch in harten Zahlen widerspiegeln. Beispielsweise in der CO2-Intensität und dem im Branchenvergleich hohen Anteil des klimaschädlichen Klinkers (72 Prozent). Holcim will diesen mit einer an der EPFL entwickelten Innovation zur Hälfte mit Lehm ersetzen. Das ist eine gute Nachricht, doch das produzierte Volumen ist mit rund einem halben Prozent der Gesamtkapazität noch sehr gering. 

Andere Hersteller, andere Märkte und nicht zuletzt die Wissenschaft zeigen, dass noch Luft nach oben ist: So will eine Gruppe renommierter Forschungsstätten – darunter die EPFL – zeigen, dass eine Redukti-on des Klinkeranteils auf 40 Prozent bis 2030 möglich ist, ohne dass es zu Qualitätseinbussen kommt. Ziehen Gesetzgeber und Bauindustrie mit, ist die erhebliche Dekarbonisierung der Zementindustrie auch ohne CCUS möglich.

Der Dialog mit Holcim wird von der BVK in Zusammenarbeit mit ihren Partnern fortgeführt. Lesen Sie mehr zu den Bemühungen in den Artikeln «Umweltschutz in Zement gegossen» und «Mit Holcim im Gespräch».

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26.09.2025

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